Rezension: Franz-Josef Pütz, Oberst a. D., Mitglied GKND Seit der Entwicklung einer Führungsphilosophie für die neuen Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland sind deren Begrifflichkeit und Inhalte immer wieder Gegenstand von Diskussionen gewesen. Über die Konzeption „Innere Führung” mit dem Leitbild des "Staatsbürgers in Uniform" sind zahllose Reden gehalten und Bücher veröffentlicht worden. Vielfach waren diese allzu theoretisch geprägt. Die Zeit ging darüber hinweg, weil der Praxisbezug fehlte. Ständige "Reformen", als Strukturveränderungen klein geredet, Eins- ätze im Rahmen des Bündnisses, der Europäischen Union, der OSZE und humanitäre Missionen haben die Bundeswehr und ihr "Innenleben" erheblich verändert. Das gilt ebenfalls für völlig neue Herausforderungen und Risiken für die äußere Sicherheit unseres Landes, z. B. durch elektronische und neue waffentechnologische Möglichkeiten. Auch die sich erweiternde Schere zwischen notwendigen Finanzmitteln und den tatsächlichen Ausgaben für die Verteidigung unseres Landes haben das Denken und Fühlen der Soldaten nachhaltig beeinflusst. Über das "Retten, Schützen, Kämpfen" hinaus sind sie vielfach zum Schlichten und Vermitteln gezwungen. Daher haben die Herausgeber des Buches Alois Bach und Walter Sauer recht, wenn sie bei dessen Einführung unterstrichen haben, dass "von Soldaten und Soldatinnen heute mehr gefordert ist als die Beherrschung des militärischen Handwerks und hohe physische und psychische Belastbarkeit. Eine alleinige Fokussierung nur auf militärische Fähigkeiten oder das Element Kampf würde dem künftigen soldatischen Anforderungsprofil nicht mehr gerecht werden. Rechtliche, interkulturelle, ethische und moralische Handlungssicherheit, Befähigung zur medialen Kommunikation, diplomatisches Geschick und sicheres, situativ angemessenes Auftreten und Handeln sind heutzutage – und erst recht zukünftig – von Soldaten und Soldatinnen aller Ebenen gefordert." Das große Spektrum der Autoren von den politisch und militärisch Verantwortlichen über aktive und ehemalige Soldaten bis hin zu deren Familienangehörigen greift in dem vorliegenden Buch die ebenso große Breite der Einsatz- und Berufserfahrungen auf. Führungsgrundsätze und Leitbilder werden so praxisnah und exemplarisch dargestellt. "Innere Führung" wird damit erlebbar gemacht und der militärische Dienst nicht auf Vorschriftensprache oder juristische Finessen degeneriert. Wenn es um Verwundung oder Tod geht, steht der einzelne Mensch im Mittelpunkt; gleichermaßen Betroffene wie Vorgesetzte oder Untergebene. Dann zeigt sich ganz unmittelbar, ob die "Innere Führung" wirklich eine Erfolgsgeschichte oder ein Markenzeichen der Bundeswehr war und ist. Im Zeichen einer immer mehr um sich greifenden Tendenz in unserer Gesellschaft zu ökonomischen oder technokratischen Bewertungen, bleibt die Rückbindung soldatischen Handelns an die Würde des Menschen und die Werte des Grundgesetzes unerlässlich. Das ist das verdienstvolle Fazit dieses - gerade heute - notwendigen Buches, wenn man auch die Beiträ- ge der weniger bekannten Verfasser und vor allem der Verfasserinnen liest. Es unterstreicht, dass nicht nur im Krieg der Charakter mehr gilt als Wissen und Können.